Asfa-Wossen Asserate zu Gast beim „Pädagogischen Forum“ des Kronacher Kaspar-Zeuß-Gymnasiums

Kronach. Was für ein Abend! Der Einladung von Direktorin Renate Leive vom Kronacher Kaspar-Zeuß-Gymnasium, des Elternbeiratsvorsitzenden Roland Raithel und des Lions Clubs Kronach Festung Rosenberg waren mehr als 500 Schüler, Eltern und Interessierte gefolgt. Nachdem er sich, begleitet von Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein, in das Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte, sprach der Autor des Bestsellers „Manieren“, Asfa-Wossen Asserate, über „Werte und Tugenden im 21. Jahrhundert“. Ein heikles Unterfangen, gerade jungen Menschen etwas über Höflichkeit, Respekt, Demut und Anstand erzählen zu wollen? Weit gefehlt. Im übervollen Kreiskulturraum hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können, so gespannt und konzentriert waren die Zuhörer bei der Sache. Asfa-Wossen Asserate, Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus, promovierter Jurist und Historiker, hatte sein Publikum von Beginn an gefangen. Das lag u.a. daran, dass der Grand Seigneur des guten Tons und des geschliffenen Wortes eben nicht mit erhobenem pädagogischen Zeigefinger „Benimmregeln“ verkündete – ganz im Gegenteil.

„Selbstverständlich ist es wichtig, dass wir die Werte und Tugenden früherer Generationen akzeptieren. Aber haben Sie auch den Mut, Ihre eigenen Werte zu kreieren und bauen Sie diese in den Kanon ein, den Ihnen Ihre Eltern mitgegeben haben. Folgen Sie Ihrem Gewissen“, ermunterte der Redner sein Auditorium. Dann zitierte er aus einem Brief Thomas Manns an seinen Bruder Heinrich: „Mein lieber Heinrich, Du bist mir zu absolut. Ich aber habe mir erlaubt, mir selber eine Verfassung zu geben.“ Asserate: „Das ist es, was ich mir wünsche: dass ein jeder sich eine Verfassung gibt und sagt: Ich weiß, wo meine Grenzen sind. Ich weiß, wie weit ich gehen kann und was anständig ist, auf dieser Welt.“ Asserate weiter: „Gutes Benehmen ist in erster Linie eine Frage des Respekts und des Anstands. Einer inneren Haltung und nicht einstudierter Benimmegeln. Wer allerdings über Herzensbildung verfügt, wird sich kaum völlig daneben benehmen.“ Es gehe darum, das Gegenüber nicht nur ernst, sondern sogar wichtiger zu nehmen, als sich selbst. „Mut zur Demut ist des Rätsels Lösung! Der Höhergestellte ist immer der andere“, betonte der

Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers. Asserate: „Manieren sind der ästhetische Ausdruck der Moral. In der europäischen Gesellschaft leiten sich Manieren aus dem christlichen Satz ab: Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst. Man könnte also sagen: Manieren sind die Enkelkinder der Religion und die Kinder der Moral.“ Die Grundzüge eines harmonischen Miteinanders findet Asserate nicht nur in der christlichen Lehre, sondern in allen großen Weltreligionen. Und so seien Anstand, Respekt und Höflichkeit universelle Werte, die überall auf der Welt Gültigkeit besitzen. Das Fehlen von Respekt, so Asfa-Wossen Asserate, führe unweigerlich zu fehlendem Bewusstsein für Unredlichkeit, zu Verlust von Vertrauen und damit zu Gefühllosigkeit, Kälte, Maßlosigkeit, Entmenschlichung und einer tiefen Störung des sozialen Miteinanders.

Elegant, charmant und eloquent nahm Asserate seine Zuhörer mit auf eine Reise quer durch Epochen und soziale Strukturen. Gewürzt mit zahlreichen Anekdoten spannte er einen weiten Themenbogen von Staat bis Bankenwirtschaft, von Spießertum bis 68er Bewegung, von Öffentlichkeit bis Privatheit, von Kirche bis Familie. Die Erziehung sei das Privileg der Familie und dürfe nicht dem Staat überlassen werden, so das Credo Asserates. „Wir brauchen Mut zur Erziehung. Und die beste Erziehung ist doch, das eigene Vorbild.“

Form und Inhalt gehören für Asserate untrennbar zusammen. Ein teurer Zwirn macht noch keinen Gentlemen, dazu braucht es Charakter. „Manches lässt sich auf einen ganz einfachen Nenner bringen. Der große Manager Eberhard von Kuehnheim folgte dem Satz: Das tut man nicht. Stellen Sie sich vor, ein Spekulant in der Finanzwirtschaft würde das heutzutage sagen. Das wäre doch fantastisch.“

Im Anschluss an die Veranstaltung diskutierte der Prinz auf dem Podium mit Schülern des Grundkurses Ethik. Direktorin Renate Leive: In einer immer unübersichtlicheren Welt brauchen junge Menschen mehr denn je Orientierung, um ihren Lebensweg selbstbewusst und gradlinig zu gehen – ohne andere dabei achtlos zur Seite zu schieben. Wenn sich Bildung in der Jagd nach Qualifikation zu erschöpfen droht, ist es Zeit sich auf das Wesentliche zu besinnen.“ Das unterstrich auch Elternbeiratsvorsitzender Roland Raithel:

„Denn in einer Zeit der Unsicherheit, des um sich greifenden Zerfalls von Staat und Familie, in einer Zeit, in der die Stars des Privatfernsehens das Weltbild vieler Kinder mehr prägen als die Eltern, in der immer mehr Menschen nicht mehr wissen, wie sie leben und erziehen sollen, da wird der Wunsch nach ethisch-moralischem Halt stärker. Man könnte sagen, wir erleben eine Renaissance der Werte. Und das ist gut so.“

Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Pädagogisches Forum“, die Elternbeirat und Schulleitung gemeinsam ins Leben gerufen haben. Ziel ist es, anhand von aktuellen Themen, Eltern, Schüler, Lehrkräfte sowie die breite Öffentlichkeit zur Diskussion anzuregen.